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Unser Banken- und Finanzsystem

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1Unser Banken- und Finanzsystem Empty Unser Banken- und Finanzsystem Di 11 Aug 2009 - 1:48

Gast


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Dieser Artikel ist als Einstieg in die Materie gedacht. Man muss also nicht alles auf Anhieb begreifen. jocolor
ABER: eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema dürfte keinesfalls schaden Exclamation

Abkürzungen:

ZB: Zentralbank
GB: Geschäftsbank
NB: Nichtbank = Publikum
ZBG: Zentralbankguthaben
GBG: Geschäftsbankguthaben

Wir haben seit 1957 ein zweistufiges Banken- und Geldsystem

Um unser Geldsystem vollends zu begreifen, muss man erstmal Geschäftsbankguthaben (GBG) und Zentralbankguthaben (ZBG) getrennt betrachten.

GBG ist das Geld von Nichtbanken (NB) auf dem Konto einer Geschäftsbank (GB), bspw. das normale Girokonto.
ZBG widerum ist das Geld von GB auf dem Konto der Zentralbank (ZB). Die Bankleitzahl ist hierbei die Kontonummer der GB bei der ZB.

Wie entsteht denn eigentlich Geld?

Ganz konkret auf diesem Weg:

Der Staat nimmt einen Kredit bei irgendeiner GB und erzeugt dafür Staatspapiere (Staatsanleihen). Diese Staatspapiere sind notenbankfähig, d.h. diese kann die GB bei einer ZB zur Hinterlegung eines eigenen Kredites einreichen.

Und genau das passiert auch: Die GB nimmt nun einen ZB-Kredit und gibt die Staatsanleihen bei der ZB "in Pension". (Anmerkung: Vor 1994 konnten hier auch NB bei der ZB Kredite aufnehmen, das ist seitdem aber nicht mehr möglich.)

Nun besitzt die GB ZBG und der Staat besitzt bei der GB GBG. Es handelt sich also um zwei getrennte Konten.

Auf Basis dieses ZBG kann die GB nun weitere Kredite in maximaler Höhe des 50fachen dieses Guthabens an Nichtbanken in Form von GBG ausreichen!

D.h. im Klartext: Für einen Publikumskredit bei der GB müssen nur 2% davon als ZBG hinterlegt sein. Das nennt sich Mindestreservenvorschrift. Hält die GB mehr als diese 2%, nennt man das Überschussreserve. (Es gibt auch noch den Begriff der Barreserve, der beides umschreibt.)

Also nochmal: für bspw. 2000 GBG benötigt die GB nur 40 ZBG.

Falls nun jemand abhebt, wird das GBG gewandelt - und zwar in Bargeld. Das Interessante daran ist, dass nun auch das ZBG in voller Höhe belastet wird. D.h. falls man 2000 GBG abhebt, wird das ZBG der GB nicht mehr nur mit 40 (2%) belastet, sondern um 2000 (100%) ZBG verringert.

Sollten nun alle Kunden ihr GBG abheben wollen, bekommt die GB Probleme, da nicht jeder ausgereichte Kredit mit notenbankfähigen Sicherheiten hinterlegt ist. Das endet in der Regel bei der Bankeninsolvenz und kommt in der Praxis bei einem Bank-Run vor.

Desweiteren wird beim Saldo der täglichen GBG-Überweisungen ZBG benötigt und an die Bank überwiesen, die mehr GBG-Eingänge als GBG-Ausgänge vorweist. Das nennt man dann "Clearing".

Beispiele:

a) Kunde A von GB Y überweist zu Kunde B bei GB Y 2000,-
=> Hier wird kein ZBG benötigt, da der Transfer zwischen Konten der gleichen GB durchgeführt wurde.

b) Kunde A von GB Y überweist zu Kunde C bei GB Z 2000,-
=> Ist dies der einzige Überweisungsvorgang an diesem Tag, muss GB Y an GB Z 2000,- ZBG überweisen.

c) Kunde A von GB Y überweist zu Kunde C bei GB Z 2000,- und Kunde C von GB Z überweist zu Kunde B bei GB Y 500,-
=> Sind dies die einzigen Überweisungsvorgänge an diesem Tag, muss GB Y an GB Z 1500,- ZBG überweisen.

Betrachten wir die Guthaben näher.

Wo kommen die nochmal her?

Wie oben bereits beschrieben, entsteht Geld ausschließlich durch Kredite, also kann auch das Sparguthaben nur durch einen Kredit bei irgendeiner GB entstanden sein.

Mal ein ganz einfaches Beispiel ohne Clearing:

1. NB A nimmt Kredit bei GB Y in Höhe von 2000,- auf
2. A kauft bei NB B für diese 2000,- ein (B hat sein Konto auch bei Y)
3. B spart nun diese 2000,-

Hier war nun vereinfacht auch überhaupt kein ZBG im Spiel, da wir davon ausgegangen sind, dass Y hier eine Überschussreserve von 40,- ZBG besessen hat.

(Kurz zum Nachdenken: Wie tilgt A denn nun eigentlich seinen Kredit?)

Kommen wir zur Bilanzierung:

Es wäre sehr von Vorteil, wenn man hier grundlegende Kenntnisse der Buchhaltung beherrscht. Ich möchte an dieser Stelle auch diesen Vortrag von Nicolas Hofer empfehlen.

Betrachten wir für obiges Beispiel die bankeninterne Seite anhand von Buchungen (hier zur knappen Übersicht einer Bankenbilanz).

1. der Kredit an A wird gewährt: Forderungen an Kunden (A) ... AN ... Verbindlichkeiten ggü. Kunden (A) (Bilanzverlängerung)
2. Überweisung von A nach B: Verbindlichkeiten ggü. Kunden (A) ... AN ... Verbindlichkeiten ggü. Kunden (B) (Passivtausch)
3a. B spart: Hier passiert nichts. B hebt nicht ab und die Verbindlichkeit ggü. B bleibt einfach bestehen.
3b. B spart kurzfristig: Verbindlichkeiten ggü. Kunden (B) ... AN ... kurzfristige Verbindlichkeiten ggü. Kunden (B) (Passivtausch)
3c. B spart langfristig: Verbindlichkeiten ggü. Kunden (B) ... AN ... langfristige Verbindlichkeiten ggü. Kunden (B) (Passivtausch)

Die GB kann mit den Sparguthaben ihrer Kunden also überhaupt nichts anfangen. Sie stellen aus Sicht der Bank eine "Verbindlichkeit ggü. Kunden" dar. D.h. sie kann sie weder weiterverleihen, noch irgendwo anlegen.

Das Einzige, was die GB damit macht, ist positiv verzinsen - und zwar je nach Anlage (Sicht, kurzfristig, langfristig) verschieden hoch.

Nun stellt sich aber unweigerlich die Frage: Wozu verzinst sie sie dann, wenn sie damit nichts anfangen kann?

Weil die GB auf ZBG angewiesen ist, um bestehende Sichteinlagen zu decken und neue Kredite auszugeben!

Wenn nun B (oder vorher A) ihre Sichteinlage komplett abheben würden, dann würden sie der GB Y in voller Höhe ZBG abziehen - und sie damit in bilanzielle Schwierigkeiten bringen. Die Verzinsung von Sparguthaben ist also durch das derzeitige Bankenregularium dringend notwendig, um einen allgemeinen Abzug von Sichteinlagen zu vermeiden.

Die GB stecken also in einem Dilemma:

Einmal benötigen sie dringend ZBG, um neue Kredite vergeben und vorhandene Sichteinlagen decken zu können. Zum Anderen benötigen sie aber ein ständig steigendes ZBG, da ja auch die zu deckenden Sichteinlagen ihrer Kunden (GBG) durch die positive Verzinsung ständig anwachsen.

GB können sich auch nur mit notenbankfähigen Sicherheiten refinanzieren. Diese sind nun hauptsächlich in Staatspapieren zu finden, da diese eine 100%ige Bewertung bei der ZB erfahren. Und damit wird auch klar, wieso sich die Staatsverschuldung stetig erhöht hat und alle Finanzminister, die utopischerweise von einer Neuverschuldungsgrenze fabulierten, ihre Versprechen nicht halten konnten.

Allerdings sind die notenbankfähigen Sicherheiten mit Basel II erweitert worden, wodurch der Crash bisher aufgeschoben werde konnte:

Standardansatz:

  • Bargeld
  • Gold
  • Schuldverschreibungen von Staaten, Banken und sonst. Unternehmen ab einem bestimmten Mindestrating
  • Bankschuldverschreibungen ohne Rating, die an einer anerkannten Börse gehandelt werden
  • Aktien
  • Anteile an Investmentfonds
  • Realsicherheiten

Eine komplette Auflistung aller notenbankfähigen Sicherheiten findet man hier: https://mfi-assets.ecb.int/dla_EA.htm
Eine Bewertungsgrundlage kann man sich auf den Seiten 37-68 hier zu Gemüte führen: http://www.bundesbank.de/download/gm/gendoc2008de.pdf

Und wie gelangt die GB an diese Sicherheiten?

Per Kreditvergabe!

Dabei muss die GB allerdings wieder damit rechnen, dass ein Teil dieses vergebenen Kredites als Sparguthaben verzinst angelegt wird, womit früher oder später ein neuer Kredit für dessen Deckung, die ja durch die Verzinsung anwachsen muss, mit ZBG notwendig wird. Hier beißt sich die Katze sozusagen in den Schwanz.

Und genau aus diesem Grund wird ständig und überall Wirtschaftswachstum - WAXDUMM über alles - gefordert!

LÖSUNGSVORSCHLAG:

Das zweistufige Bankensystem ist meiner Meinung nach vollkommen überflüssig. Es entkoppelt zum Einen die Sparguthaben von den Krediten (wenn der Kredit platzt, wird das Sparguthaben weiterhin "garantiert") und zum Anderen führt es zum beschriebenen Wachstumszwang.

Eine mögliche Lösung für dieses Problem wäre die Auferlegung einer Liquiditätsgebühr oder gleich die Abschaffung von Bargeld, so dass auch eine Negativverzinsung für bestehende Sparguthaben ermöglicht werden kann, womit die Höhe der Sparguthaben auch absinken kann.

Diese wäre insofern nützlich, dass die Sparguthabenhalter dazu angereizt werden, ihre Ersparnisse in Realgüter umzusetzen und nicht weiter des Raffens Willen Überschüsse erwirtschaften.

Wohlbemerkt sind hiervon Sparguthabenhalter, die auf eine größere Anschaffung sparen, nicht derart betroffen, wie jene, die derart viel Vermögen angehäuft haben, dass sie es gar nicht ausgeben können.

Gruß!



Zuletzt von tar am Di 11 Aug 2009 - 10:16 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

2Unser Banken- und Finanzsystem Empty Re: Unser Banken- und Finanzsystem Di 11 Aug 2009 - 6:23

Gast


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Hallo tar!

Hab den Post mal verschoben, da ich diesen Artikel für wichtiger halte, als dass er in "Diskussionen" untergehen könnte.

Gruß
Jan

3Unser Banken- und Finanzsystem Empty Re: Unser Banken- und Finanzsystem Mi 19 Aug 2009 - 12:53

Gast


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Der Vortrag von Nicolas Hofer "Warum der Kapitalismus auch Profitismus keißen könnte" beschreibt die 2 Arten von Geld sehr gut. Dort ist es sehr veranschaulichend dargestellt.
Leider bietet er keine Lösungen an, aber die gibt es ja auch noch von anderen Leuten. Smile
-> Vortrag Nicolas Hofer

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